Das Handbike von morgen wird in Creo entwickelt
Das Handbike ist eine Art Dreirad, das von Menschen mit und ohne Behinderungen oder Fehlbildungen der unteren Extremitäten genutzt werden kann. Das Konzept ist täuschend einfach: Der tragende Rahmen ist mit der Vorderradgabel und einer innovativen Hinterachse verbunden. In Wahrheit ist die Konstruktion alles andere als simpel: Eine Reihe von Faktoren, vorwiegend biomechanischer Natur, wirkt sich nicht nur auf das physische Wohlbefinden des Sportlers aus, sondern auch auf die Zuverlässigkeit des Fahrrades. Der Ingenieur Marco Antonelli entwarf unter Verwendung von Creo, der mehrfach preisgekrönten CAD-Plattform von PTC, ein innovatives Handbike und profitierte dabei von der Zuverlässigkeit, der einfachen Modellierung und der Hochleistungssimulation mit Creo.
In den vergangenen Jahren hat sich der Behindertenradsport dank der Bemühungen einiger beliebter Sportler in den Medien zu einer der beliebtesten und bekanntesten Sportarten für Behinderte entwickelt. Viele Handbike-Sportler waren früher Taucher oder Motorradfahrer, die durch eine Rückenmarksverletzung querschnittsgelähmt sind – teilweise vom Hals abwärts –, sodass sie ihre Beine oder auch Arme nicht mehr richtig benutzen können.
Anders als beim traditionellen Fahrrad, bei dem der Antrieb über Beine und Füße erfolgt, wird das Handbike mit der Kraft der Arme vorwärts bewegt. Standardmäßig besteht das Handbike aus einem Rahmen mit einem Sitz, auf dem man entweder sitzend oder liegend Platz nehmen kann. Mit dem Rahmen sind das Vorderrad und zwei Hinterräder verbunden. Das Vorderrad ist über die Kette mit der Kurbel verbunden und dient der Lenkung. Die beiden Hinterräder sorgen für Stabilität und Balance.
Besondere Objekte für besondere Athleten
Die Welt der Handbikes bewegt sich technologisch auf höchstem Niveau. In puncto Innovation und Materialien sind diese Sportgeräte fast mit der Formel 1 vergleichbar. Doch obwohl sich der Behindertenradsport etablieren konnte, gibt es kaum Unternehmen, die wirkliches Interesse an Investitionen in die Forschung zeigen. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Zahlen noch zu niedrig sind, um die benötigten Budgets zu decken. Ein wirtschaftlicher Betrieb ist damit nahezu unmöglich.
Jeder Parathlet hat andere körperliche Voraussetzungen, sodass es keine Möglichkeit gibt, ein standardisiertes Serienfahrzeug zu produzieren, das für jeden geeignet ist. Während es für nicht behinderte Menschen mindestens fünf verschiedene Rahmengrößen sowie unterschiedliche Haltungsvarianten gibt, müssen bei Parathleten nicht nur der unterschiedliche Körperbau und das unterschiedliche Gewicht berücksichtigt werden, sondern je nach Art und Umfang der Behinderung auch individuelle physiologische Merkmale.
Und damit wären wir bei den beiden Protagonisten dieser Erfolgsgeschichte: dem Ingenieur Marco Antonelli, einem Universitätsprofessor und Industriedesigner, auf der einen Seite, und Creo, der innovativen und mehrfach preisgekrönten CAD-Plattform von PTC, auf der anderen.
Vor einigen Jahren wurde Marco Antonelli auf ein Projekt aufmerksam, von dem er wahrscheinlich nie gedacht hätte, dass er sich einmal dafür einsetzen würde. In einem Sportmedizinzentrum, das er im Anschluss an einige berufliche Verpflichtungen (gemeinsam mit Paolo Venerito, dem stellvertretenden Sekretär von ANMIL, kurz für: Associazione Nazionale fra Lavoratori Mutilati e Invalidi del Lavoro, der italienischen Vertretung der Opfer von Arbeitsunfällen) besuchte, wurde ihm ein Angebot unterbreitet, zu dem er aufgrund der spannenden Herausforderung und seines beruflichen Stolzes nicht nein sagen konnte: die Entwicklung eines Handbikes, das gegenüber den aktuell üblichen Modellen mit innovativen Neuerungen überzeugt.
„Ich war viele Jahre lang als Designer im Motorsport tätig und arbeitete mit einigen der wichtigsten Konstrukteure in dem Bereich zusammen an der Entwicklung einiger innovativer Lösungen“, erzählt Marco Antonelli. Da ich eigentlich Bioingenieur bin, fiel es mir nicht schwer, mich von der Entwicklung eines Hilfsmittels für Menschen mit einem gesunden Körper auf spezifische Lösungen für Menschen umzuorientieren, die leider durch körperliche Probleme behindert werden. Mit viel Leidenschaft und der Erfahrung aus vielen Jahren in der Produktentwicklung begann ich, mich immer mehr für dieses Projekt zu interessieren, das sich nach und nach zu einem kompletten, voll funktionsfähigen Modell für Parathleten entwickelte.
Die Rolle von Creo
Creo, die CAD-Plattform von PTC und eine der meistverwendeten Plattformen weltweit, wurde für das Design des Handbikes verwendet. So konnten wir Ergebnisse erzielen, die mit anderer Software nicht möglich gewesen wären.
„Der große Vorteil für Designer, den Creo bietet, sind nicht die Funktionen – obwohl diese wirklich beeindruckend sind –, sondern die harmonische Umgebung bzw. der modulare Aufbau, die für umfassende Funktionalität und eine perfekte Integration der Daten sorgt. Das ist deshalb so wichtig, weil – anders als in anderen CAD-Systemen am Markt – sämtliche Projektinformationen sofort verfügbar sind. Dadurch wird vermieden, dass beim Simulieren von Modulen Modulformate umgewandelt oder Dateien importiert werden müssen, was viel Zeit kostet und unweigerlich zu Informationsverlusten führt.“
Bei Creo ist der Konstruktionsprozess perfekt in die Simulation integriert – dank Creo Simulation Live, powered by Ansys, einer umfassenden Echtzeit-Simulationsumgebung. Dadurch ist die Simulation nicht nur einfach aufzusetzen, sondern auch deutlich schneller.
„Die Simulation ist sehr schnell und erfordert erheblich weniger Rechnerressourcen und Arbeitsspeicher als in anderen CAD-Systemen, die ich bei früheren Projekten ausprobiert habe. Zudem ist die Zuverlässigkeit der Berechnung sehr hoch“, berichtet Antonelli, der noch ein weiteres zentrales Merkmal hervorhebt: die retroaktive Skalierbarkeit, dank der die volle Kompatibilität mit Dateien gewährleistet ist, die in früheren Versionen von Creo erstellt wurden, sodass es zu keinen Datenverlusten kommt.
Auch die Skizzenverwaltung, der Ausgangspunkt des Entwurfs, ist effizient und schnell und hat, ähnlich wie die Simulation, nur einen geringen Ressourcenbedarf. Somit ist effizientes Arbeiten ohne die Anschaffung von Hochleistungs-Hardware möglich.
Modellierung und Simulation: Zwei zentrale Säulen
Zuverlässigkeit, einfache Modellierung und umfangreiche Simulationsfunktionen. Doch das ist nicht alles. „Creo macht mit seinen Funktionen Innovation zu einem integralen Bestandteil des Konstruktionsprozesses“, so Antonelli weiter. „Alles beginnt mit der Modellierung. Der Ausgangspunkt für eine strukturmechanische Simulation ist das Modell, das der Konstrukteur mit seiner Erfahrung entwickelt.“
Der Konstruktionsprozess umfasst eine Reihe von Ergebnissen, die in zyklischen Schleifen Schritt für Schritt und bei Bedarf mit den nötigen Änderungen verarbeitet werden. Änderungen verursachen allerdings häufig Konflikte mit sekundären Merkmalen, was wiederum zu Fehlern führt. Deshalb müssen die Ergebnisse des Konstruktionssystems ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit aufweisen.
„Creo ist ein höchst robustes System mit schnellen und zuverlässigen Diagnose-Tools, mit denen sich Konflikte lösen und Randbedingungen korrekt rekonstruieren lassen. Es ist mit keinem der anderen Systeme vergleichbar, die ich in der Vergangenheit getestet habe und die häufig falsch positive bzw. falsch negative Ergebnisse lieferten. Das ist mir in Creo nie passiert, nicht einmal damals vor 15 Jahren, als ich anfing, es für die Entwicklung von Produkten für die Verteidigungsindustrie zu nutzen. Und ich habe wirklich Tausende von Stunden mit Creo gearbeitet“, unterstreicht Antonelli.
Ein Granite Kernel für Stabilität und Interoperabilität
Der Modellierungs-Kernel von Creo, Granite, ist besonders effektiv, schnell und effizient. Anders als andere Kernel handelt es sich um eine dedizierte Lösung: Sie wird also nicht mit anderen externen Kunden gemeinsam genutzt. „Das ist zweifellos ein großer Vorteil, gerade im Hinblick auf die Optimierung und die Integration in andere Module, die Creo verwendet“, betont Antonelli. „Als Benutzer schätze ich die hervorragende Integrationsarbeit, die PTC und ANSYS leisten und die in solchen fantastischen Simulationssystemen resultiert. In Creo arbeitet man mit kompletter Transparenz und immer in ein und derselben Arbeitsumgebung: Alles ist absolut linear, ohne Störungen beim Datenimport oder bei der Transparenz der anderen CAE-, CAM- oder Simulationsmodule.“
Ein wichtiger Punkt ist, dass Creo den Zugriff auf sämtliche Projektphasen in ein und derselben Umgebung ermöglicht. „Viele Anbieter preisen ihre modularen Plattformen an, doch oft handelt es sich bei diesen sogenannten Modulen um externe Produkte, die leider schlecht integriert sind“, so Antonelli. „Ich persönlich hatte mit Creo niemals das Gefühl, als würde ich auf externe Tools zugreifen. Creo Simulation Live ist beispielsweise meiner Meinung nach nicht nur komfortabel und effektiv – dank der perfekten Integration –, sondern auch zuverlässig und schnell. Bestimmte Simulationsergebnisse liegen innerhalb weniger Sekunden vor!“
Präzise Netzgenerierung dank der Polynommethode und sicherer Austausch mittels Augmented Reality
In den verschiedenen Phasen der Konstruktion verbringen Designer oft viel unnötige Zeit damit, komplexe Flächen zu vernetzen und Vereinfachungen vorzunehmen, um Simulationen in einem zumutbaren Zeitrahmen durchführen zu können.
Das Vereinfachen einer Form führt jedoch oft zu Variationen, die um mehrere Prozentpunkte vom wirklichen finalen Modell abweichen können. „Dieses Problem hatte ich mit Creo noch nie“, betont Antonelli. „Eine der Stärken von Creo ist die Polynommethode: Anstelle von linearer Näherung lassen sich Polynomsimulationen bis zum neunten Grad durchführen. Aus mathematischer Sicht führt dies zu einer erheblich stärkeren Konvergenz und damit zu beträchtlichen Vorteilen bei der Netzgenauigkeit und der Verarbeitungsdauer.“ Diese Funktion ist extrem wichtig, gerade in Anbetracht der dringend notwendigen Verkürzung der Time-to-Market, der sich sogar Konstrukteure unterordnen müssen.
Schließlich ist es bei der Arbeit mit Creo möglich, ein Objekt in Augmented Reality zu veröffentlichen, indem ganz einfach eine E-Mail an den gewünschten Empfänger geschickt wird – ein weiterer unschätzbarer Vorteil in Bezug auf Einfachheit, sicheren Austausch und Zeitersparnis. „Die Empfänger können das Objekt direkt aus der E-Mail heraus öffnen und dank Augmented Reality nahtlos betrachten, als hätten sie selbst Creo und das Objekt. So müssen keine sensiblen Daten, keine JPG- oder PDF-Dateien verschickt werden, die für Reverse Engineering verwendet werden könnten. Die Empfänger benötigen lediglich ein Tablet oder Smartphone, um sich das Modell anzusehen. Kurz: Sogar der Austausch von Objekten ist einfach und niederschwellig möglich. Anders als normalerweise bei der Verteilung von Projektinformationen bleiben die geistigen Eigentumsrechte des Konstrukteurs geschützt.
Raffiniertes Industriedesign
Das von Antonelli entworfene Handbike besteht im Prinzip aus den gleichen Komponenten wie das klassische Renn-Handbike: Rahmen und Gabel. Allerdings beinhaltet es mehrere Innovationen für eine Reihe von komplexen Herausforderungen.
Auch wenn das Projekt noch nicht abgeschlossen ist, wird derzeit der erste Prototyp angefertigt. Bei dieser Initiative arbeitet Antonelli mit der Firma CRM Compositi in Livorno zusammen, die sich auf die Herstellung von Carbonstrukturen aus einem Stück spezialisiert hat und über das Know-how und die technischen Fähigkeiten für die Arbeit mit Kompositwerkstoffen verfügt.
„Es war sehr schwierig, unter Beibehaltung der strukturmechanischen Eigenschaften das Gewicht des Rahmens zu reduzieren“, erläutert Antonelli. „CRM stellte dafür ein spezielles System für die Produktion von monolithischen Strukturen zur Verfügung, die ausschließlich aus Carbon gefertigt werden.“
Die integrierten Rippen machen den Rahmen erheblich leichter und zugleich fester. Da der Rahmen aus einem Stück besteht, überzeugt er durch besondere Zuverlässigkeit. Diese Technologie wurde ursprünglich für das Militär entwickelt. Beim Design dieses Handbikes wird sie nun erstmals für eine zivile Anwendung genutzt.
Eine weitere wichtige Projektphase betraf die Gabel, in der das Getriebe untergebracht ist. Die Untersuchung der Getriebekomponenten war von Anfang an höchst kompliziert, insbesondere was die Möglichkeiten der Anpassung an das Radsportsystem anbelangte.
„Die Höhenverstellung des zentralen Schaltgetriebes erfolgt üblicherweise über einen Stift, der an der Basis des Lenkkopfs fixiert wird“, erklärt Antonelli. „Allein durch die Verstellung der Höhe verändern sich die typischen Winkel. Das zieht eine Reihe von Problemen nach sich: Insbesondere wird das Bike instabiler und könnte kippen oder schwer kontrollierbar werden. Auch Fehlhaltungen des Parathleten sind möglich, die über längere Zeit zu Entzündungen, Knorpelschäden oder einem Verlust der Beweglichkeit der oberen Extremitäten führen können.“
Schlussfolgerungen
Heute experimentiert Antonelli damit, Creo und Vuforia, die Augmented-Reality-Plattform von PTC, miteinander zu integrieren, um das Projekt durch die Kombination von realer und digitaler Welt zum Abschluss zu bringen. Das Projekt kann mithilfe von AR-Technologie für Partner zum Testen bereitgestellt werden. Das Ergebnis ist ein äußerst interaktives fertiges Erlebnis, das möglichst viele Einzelheiten der realen Umgebung enthält – all das, ohne sensible Daten zu verbreiten, die für Verstöße gegen geistige Eigentumsrechte anfällig wären.
Bei Objekten mit anspruchsvollem Design, wie Antonellis Handbike, gibt es keine Kompromisse. Creo hat sich als perfekte Plattform bewährt, um die futuristischen Erkenntnisse hinter dem Design mit der optimalen Nutzung der verfügbaren Technologien zu verbinden – und das mit einem Bruchteil der Ressourcen, die von anderen Systemen benötigt werden. Die Integration von Creo und Vuforia wird die Vorteile der PTC Plattform zusätzlich unterstreichen, die Antonelli nicht nur für das Handbike-Projekt nutzt, sondern auch für andere Produkte.