Regulatorik und Fachkräftemangel, fragile Lieferketten, neue Marktteilnehmer und ein steigender Kostendruck - Medizintechnik-Unternehmen stehen vielen Herausforderungen gegenüber. Die digitale Transformation verspricht Lösungen. Fresenius Medical Care zeigt, wie sich diese verwirklichen lassen.
Bei der Digitalisierung in der Medizintechnik stehen meist Produkte und Prozesse wie digitale Gesundheitslösungen und Telemedizin, im Fokus. Doch die digitale Transformation der Unternehmen selbst ist mindestens ebenso wichtig. Damit ist jedoch mehr gemeint, als papierbasierte Prozesse in digitale zu überführen. Nur wenn Hersteller die neuen Möglichkeiten durch digitale Technologien auch ausschöpfen, können sie die Basis schaffen für resiliente und zukunftsfähige Geschäftsmodelle. „Wir haben unser Unternehmen durchgängig digitalisiert – und damit meine ich nicht nur die Produkte, sondern die gesamte Wertschöpfungskette“, beschreibt Christian Vogelei, Capability Lead for Product Change & Configuration Management bei Fresenius Medical Care.
Ein Digital Thread durch die ganze Wertschöpfungskette
Hierfür hat Fresenius Medical Care einen Digital Thread auf Basis der PLM-Software Windchill von PTC geschaffen. Er verbindet Forschung & Entwicklung mit der Fertigung, den Produkten und Services. So werden Datensilos aufgebrochen und Fresenius Medical Care kann den vollen Wert seiner Daten nutzen, um Prozesse zu automatisieren und mehr Flexibilität und Geschwindigkeit bei hoher Variantenvielfalt und Qualität zu erreichen.
„Durch den Digital Thread haben wir Transparenz entlang der ganzen Wertschöpfungskette“, so Christian Vogelei. „Wir gewinnen Einsichten, wie unsere Produkte gefertigt und über ihren Lebenszyklus hinweg genutzt werden. Das hat wiederum Einfluss auf die Produktentwicklung. Wir können Veränderungen viel früher erkennen, unser Änderungsmanagement ist schneller und transparenter.“
Komponenten des Digital Thread
Das Garn, aus dem der digitale Faden gesponnen ist, ist das Product Lifecycle Management (PLM). Es verbindet bislang isolierte Produktdaten aus verschiedenen Unternehmenssystemen, wie Computer-Aided Design (CAD), Application Lifecycle Management (ALM) oder Manufacturing Process Management (MPM). So unterstützt PLM das Änderungs-, Konfigurations- und Qualitätsmanagement, die Rückverfolgbarkeit, die Datenintegrität und die Automatisierung manueller Prozesse.
Hauptziel eines Digital Thread besteht darin, jedem Beteiligten im Lebenszyklus des Produkts Zugriff auf präzise, aktuelle und kontextbezogene Produktdaten zu geben. Durch diese Demokratisierung von Daten und den transparenten Informationsfluss steigen die Produktqualität und Effizienz bei gleichzeitiger Verkürzung der Time-to-Market. “Wir haben keine Top-to-Bottom-Prozesse mehr. Die Nutzer der Datensätze sind diejenigen, die die Evolution der Produkte vorantreiben”, berichtet Christian Vogelei.
Digital-Thread-Strategie
Damit dies gelingt, benötigen Unternehmen eine Digital-Thread-Strategie. Darin ist festzulegen, welche Daten gebraucht werden und welche digitalen Technologien nötig sind. Hierfür haben sich vier Schritte bewährt:
- Anwendungsfälle identifizieren und priorisieren: Die wertvollsten Use Cases eines Digital Thread sind individuell unterschiedlich. Diejenigen mit dem größten geschäftlichen Nutzen sollten priorisiert umgesetzt werden. Dabei ist sicherzustellen, dass sie tatsächliche Geschäftsprobleme lösen und sich auf wichtige Kennziffern zurückführen lassen. Für Fresenius Medical Care war es u. a. entscheidend, Produkte so zu entwickeln, dass sie flexibel an jedem Standort produziert werden können. Dies war vorher nicht möglich, weil die global verteilten Fertigungsstandorte aus historischen Gründen jeweils eigene Prozesse und Systeme hatten.
- Relevante Daten, Systeme und Lücken ermitteln: Im zweiten Schritt ist festzulegen, welche Daten für die definierten Anwendungsfälle verfügbar und nutzbar sein müssen. Wenn sich Unternehmen dabei auf die priorisierten Anwendungsfälle konzentrieren, bleibt der Umfang für die Verantwortlichen überschaubar. Um die Unterstützung aller Beteiligten für die Initiative zu erhalten, ist es entscheidend, dass sie möglichst schnell Wirkung zeigt. Hierfür empfiehlt sich ein internes Audit zur Aufdeckung von Lücken und Engpässen.
- Erfolg definieren: Für jeden Anwendungsfall sind die wichtigsten Leistungsindikatoren (Key Performance Indicators, KPIs) zu bestimmen. Auf Basis der aktuellen Werte sollten Ziele für einzelne KPIs bestimmt werden. So können Fortschritte beziffert und die Unterstützung für die Initiative gefördert werden.
- Die digitale Basis schaffen: Nun geht es darum, die identifizierten Daten für die priorisierten Anwendungsfälle zu sammeln, zu verwalten und zu steuern. Dabei müssen Qualität und Konsistenz der Daten gewährleistet sein und alle Beteiligten stets Zugriff auf die aktuellen Daten haben. Entscheidend ist es, eine digitale Basis für die Produktdaten zu schaffen. So lässt sich sicherstellen, dass alle Konstrukteure mit demselben CAD-Modell arbeiten, Anforderungen mit der Produktdefinition verknüpft werden und wichtige PLM-Funktionen nutzbar sind. Indem die Daten von allen Abteilungen genutzt werden, steigt ihr Wert exponentiell.
Bei Fresenius Medical Care hat sich durch den Digital Thread das Verhältnis zwischen Forschung & Entwicklung und der Produktion grundlegend gewandelt. „Es besteht ein erheblich besseres Verständnis füreinander. Zudem hat sich unsere Traceability verbessert“, so Vogelei. „Im Hinblick auf die Regulatorik ist für mich ein zuverlässiges Configuration Management entscheidend. Wenn das sauber aufgesetzt ist, kann man sich einfach an regulatorische – oder andere – Änderungen anpassen. Und wer einmal mit einem Mausklick ein DHF (Design History File) oder ein DMR (Device Master Record) in Windchill kreiert hat, will nie wieder zu einem anderen System zurück.”
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