Reda Mostafa ist seit Juni 2014 Mitarbeiter bei PTC und dort als Direktor im Bereich Geschäftsentwicklung für Kunden in der Prozessindustrie verantwortlich. In dieser Aufgabe entwickelt er gemeinsam mit Kunden werteorientierte Lösungen bzw. Aktionspfade zur Digitalisierung und globalen Prozessverbesserung. Er hat Erfahrungen als international tätiger Projektmanager (PMP) in verschiedensten Kundensituationen. Als Unternehmensberater bei ACCENTURE hatte Reda Mostafa mit vielem namhaftem internationalen Kunden verschiedenster Industrien zusammengearbeitet. In seiner Laufbahn hat er sich fortwährend, sowohl mit Business Prozess Integration der Produktentwicklungsbereiche, der Produktion und der Supply Chain, als auch mit CarveOut-Themen beschäftigt.
In der Prozessindustrie werden heute Steuerungssysteme zur Produktionsüberwachung eingesetzt, die vor Jahren installiert wurden, jedoch heute nicht mehr State of the Art sind. Darüber hinaus ist die Digitalisierung der Prozessschritte zwar schon weit voran geschritten, da große Mengen an Daten digital erfasst und diesen Steuerungssystemen zur Verfügung gestellt werden, aber meist werden diese Verfahren gar nicht erst angewandt.
PTC hat in den letzten Monaten mit vielen und auf verschiedenen Leveln in der Prozessindustrie agierenden Beschäftigten diskutiert und dabei den Eindruck gewonnen, dass ein sehr von Kennzahlen bestimmtes Geschäft den Nutzen der Digitalisierung und damit den Nutzen einer erhöhten Flexibilisierung in den Prozessen nur sehr langsam für sich erfolgreich umsetzen kann. Daten sind außerhalb der existierenden Systeme nur schwer verfügbar oder können selten übergreifend konsolidiert werden, um daraus wichtige Erkenntnisse für den laufenden Prozess und dessen Verbesserung zu gewinnen.
Woran es derzeit noch fehlt
Daten und Informationen, die kontinuierlich entstehen, werden meist in Systemen zur Erfassung historischer Daten (Historian Systems) abgelegt. Stellt man sich vor, diese Daten in Verbindung mit Informationen des ERP-Systems, mit Umgebungsvariablen und anderen für die Produktion wichtigen Informationen aus der Automatisierungspyramide (ISA 95) in Relation zu setzen, diese auf Anomalien zu untersuchen und rollenspezifisch in Form von individualisierten Dashboards unabhängig von den Steuerungssystemen aufzubereiten, würden aufwendige manuelle Schritte unterbunden werden. Meist jedoch werden diese Verfahren gar nicht erst angewandt.
Unternehmen müssen befähigt werden, diese Daten zu sammeln, um Informationen dem betrieblichen Kontext zuzuführen. Analytische Methoden sollten einfach angewandt werden können, um das Verständnis über das Verhalten der Anlage zu verbessern. Digitalisierung muss es schaffen, dem Anwender schnell und flexibel die Informationen bereit zu stellen, die er für seine jeweilige Arbeit bzw. den Prozessschritt benötigt. Idealerweise in Echtzeit.
Noch kein etablierter Prozess
Ein entscheidender Punkt, warum Industrie 4.0 oder die Digitalisierung nicht in der beschriebenen Form umgesetzt wird, ist die Mentalität der Industrie. „Never touch a running system“ ist insbesondere in einer Industrie, bei der ein Produktionssystem meist bei Ausfall einer Komponente zum Erliegen kommt und dabei zu Umsatzeinbußen und erhöhten Kosten führt, eine nahe liegende Weisheit. Jedes neue Projekt wird als Risiko gegen die Anlagenverfügbarkeit, Sicherheit und Zuverlässigkeit in der Produktion bewertet. Es bedarf somit einer sehr hohen Überzeugungskraft.
Die Prozessindustrie muss sich den Aufgaben stellen und jede Führungskraft hat die Digitalisierung auf der Agenda sowie in den Zielvorgaben. Das Bewusstsein in Bezug auf die Wichtigkeit der Aufgabe ist definitiv vorhanden, das haben auch viele Gespräche gezeigt. Doch wo anfangen? Die Antwort darauf ist in eignen Fällen ganz einfach, wenngleich nicht unbedingt offensichtlich. Ohne die Gefährdung der laufenden Produktion können Daten au der Automatisierungspyramide (Systemsteuerungen, Sensoren, Historian-Systemen) genutzt werden, etwa für das Verbessern der Datenmobilität, der Transparenz im Hinblick auf die Vereinfachung von Entscheidungsprozessen, die die tägliche Arbeit im Werk optimiert. Oder für das Monitoring von Prozessdaten, die Analyse von Anomalien und der daraus resultierenden Vorhersage von Fehlern zur Reduzierung von ungeplanten Ausfallzeiten und einer Verbesserung der Gesamtanlageneffektivität (Overall Equipment Effectiveness - OEE). Dadurch ist es sehr schnell möglich Kosten für und die Effizienz der Instandhaltungsarbeit zu optimieren. Aber auch das Auswerten qualitätsrelevanter Daten, um daraufhin die Auswirkung auf die Ergebnisqualität zu verstehen und am Ende die Kundenzufriedenheit zu erhöhen. Oder das Nutzen der Konstruktionsdaten (3D) zur Erstellung von Augmented Reality (AR)-Anwendungen zur Überlagerung digitaler 3D-Modelle und real existierender Komponenten im Werk. Diese initialen Schritte können im Nachgang Teil einer Roadmap werden. Entlang dieser Roadmap und mit besserem Verständnis der Technologie sind auch tiefere Integrationen sowie Interaktionen in der Automatisierungspyramide denkbar.
Verbesserte Information bezüglich Qualität
Ausgehend von einem in Vorbereitung befindlichen Standard DEXPI (Data Exchange in Process Industry) hat PTC eine Konzeptstudie durchgeführt, um ein P&ID (Process and Instrumentation Diagram) als wichtiges Kommunikationsmittel der Industrie zu lesen und mit echten Daten zu verknüpfen. In diesem Sinne hat man den PAN entwickelt, der in jedem Unternehmen sicherlich individuell ausgestattet sein wird, und das liefert, was Instandhaltungsmitarbeiter benötigen. Zu den Hauptvorteilen gehören nicht nur eine verbesserte Information bezüglich Qualität und Zuverlässigkeit sowie die Reduzierung administrativer Tätigkeiten, es werden auch Kompatibilitätsprobleme von Engineering und Produktion überbrückt (Interoperabilität der Industrie) und die Integration der Instandhaltung verbessert.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der 02/2019 Ausgabe der "Digital Process Industry" erschienen.