5G ist in der Industrie angekommen – möchte man meinen. Laut einer aktuellen Umfrage von Bitkom Research ist es aber vor allem der Begriff selbst, der in aller Munde ist. Bei der praktischen Umsetzung von 5G in der Industrie scheiden sich jedoch immer noch die Geister. Während die eine Hälfte der insgesamt 505 Befragten die neue Technologie als relevant erachtet und bereits erste Pilotprojekte gestartet hat, setzt die zweite Hälfte auf andere Technologien wie etwa das WLAN. Oder sie erkennt schlicht den Mehrwert von 5G in der Industrie nicht. Das verwundert, blicken wir auf die Wettbewerbsvorteile, die mit 5G gewonnen werden. Und es verwundert erst recht mit der Betrachtung der zahlreichen neuen Technologiefelder wie dem IIoT oder vor allem Mixed-Reality-Anwendungen, die dank 5G erst ihr wahres Potenzial entfalten werden. Wie? Das erkläre ich in diesem Beitrag. Und keine Angst – die Rede ist nicht nur von blanker Theorie. Am Beispiel der e.GO Mobile AG zeige ich, dass das alles bereits längst Wirklichkeit geworden ist.
Denken wir an die intelligente Fabrik, steht selbstverständlich die Vernetzung von Produktionsanlagen bei vielen Unternehmen ganz oben auf der Liste – das spiegelt auch die Umfrage des Bitkom wider. In der Tat werden durch die hohe Kapazität und Bandbreite wesentlich mehr Maschinen und Geräte miteinander verbunden werden und dank der äußerst geringen Latenzzeit von 5G in Sekundenbruchteilen miteinander kommunizieren können. Beispielsweise können nun auch Bild- und Videoerkennung im Produktions- und Qualitätsprüfungsprozess verstärkt eingesetzt werden, ohne dass mit der Übertragung des Materials das gesamte Netzwerk lahmgelegt wird.
Quelle: Bitkom 2019 (eigene Darstellung)
An zweiter Stelle der angepeilten Einsatzszenarien werden aber bereits visuelle Assistenzsysteme wie Augmented (AR) und Virtual Reality (VR) genannt, die unter dem Begriff Mixed Reality zusammengefasst werden können. Das wiederum verwundert absolut nicht mehr, denn das Einsatzspektrum hierfür ist riesig. In einem früheren Beitrag bin ich bereits auf die Potenziale von Mixed-Reality-Anwendungen für die Industrie eingegangen.
Quelle: Vodafone 2019 (eigene Darstellung)
Ob nun die Visualisierung kritischer Informationen bei Zwischenfällen oder eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für bestimmte Montage- und Arbeitsschritte, die effiziente Vermittlung von Expertenwissen oder die schnelle Zuschaltung eines solchen Experten für eine bestimmte Aufgabenlösung – die Anfragen aus der Praxis nehmen verstärkt zu. Befeuert durch das Vorhandensein aller Basiskomponenten, die es dafür braucht: So gibt es mittlerweile die Software-Programme wie Vuforia Studio, mit denen Unternehmen schnell und einfach ihre vorhandenen 3D-CAD-Daten und IoT-Daten aus dem Feld in funktionale AR-Anwendungen verwandeln können, die anschließend auf Smartphone, Tablet, Datenbrille oder weitere Devices ausgespielt werden. 5G stellt dabei zukünftig noch stärker sicher, dass kein Mitarbeiter in der Montage oder in der Instandhaltung minutenlang warten muss bis eine Bild- oder Videosequenz lädt oder die aktuellen Daten einer laufenden Anlage vor sein Auge projiziert werden. 5G macht somit IIoT-Daten sowie Mixed-Reality-Anwendungen damit zunehmend massentauglich.
Wie das in der Praxis funktionieren kann, zeigt das Beispiel des Aachener E-Mobility Start-ups e.GO Mobile AG. Im Werk 1, der Produktionsstätte des Elektro-Kleinwagenmodells e.GO Life, funkt ab sofort das Netz der Zukunft. Vodafone und der Technologie-Partner Ericsson implementierten die 5G-Technologien „Mobile Edge Computing“ (MEC) und „Network Slicing“ direkt in der Fabrik. Eine vernetzte und damit effizientere Produktion war hier aber nicht das alleinige Ziel. 5G in der Industrie sollte für die Mitarbeiter erlebbar gemacht werden und ihre Arbeit erleichtern.
Im Fokus stand der Bereich e.GO After-Sales-Service und die angeleitete Inspektion eines e.GO Life mit Hilfe von Echtzeitdaten und eines digitalen Zwillings des jeweiligen Modells. Basierend auf Vuforia Studio von PTC wurde eine App für Tablets entwickelt, die das sich vor dem Servicetechniker bei e.GO sowie an den späteren Servicestationen befindliche Fahrzeug erkennt und eine Schritt-für-Schritt-Anleitung startet. Beispielsweise um zu ermitteln, warum die Batterie nicht lädt. Hierzu geht der Servicemitarbeiter zunächst einen Fragekatalog durch, um das Problem zu kanalisieren. Anschließend startet eine AR-Anwendung, die das Fahrzeug durchleuchtet und anzeigt, welche für den Ladeprozess zuständigen Bereiche funktionieren und welche zu überprüfen sind, sodass zielgerichtet Hand angelegt werden kann. Alle wichtigen Informationen wie Fahrgestellnummer, die jeweilige Konfiguration und die Funktionsparameter werden in Echtzeit bereitgestellt. Die Daten stammen aus dem PTC PLM-System Windchill, das u.a. die 3D-CAD-Daten für die Visualisierung des Modells liefert, sowie aus der IIoT-Plattform ThingWorx, die die Sensordaten des Fahrzeugs übermittelt.
Diese Anwendung ist zudem ein hervorragendes Beispiel für die drei Kernfaktoren für eine funktionierende AR-Erfahrung in der Praxis: Mit 5G wird die Konnektivität gewährleistet, die für die breite Anwendung benötigt wird – hier gelangen 4G-Netze bei einigen AR-Anwendungen bereits an ihre Grenzen. Entscheidend sind auch die Mitarbeiter, die mit der richtigen Hardware ausgestattet werden und mit der Anwendung umgehen können sollten. Zu guter Letzt liegt es an der Anwendung und ihrer Funktionalität selbst. Nur wenn diese gut durchdacht ist und dem Mitarbeiter genau die relevanten Informationen und Visualisierungen für seine jeweilige Aufgabe bietet, wird die Technologie auch einen hohen Mehrwert bieten und Akzeptanz finden.
Wie hier zu erkennen ist, gibt es eine Menge an Stellschrauben, die beachtet werden sollten und die definitiv nicht 1:1 von dem einen auf das andere Unternehmen übertragbar sind. Wenn 5G in der Industrie die Basis für den breiten und effektiven Einsatz von Mixed-Reality-Anwendungen im eigenen Unternehmen sein soll, ist es jetzt an der Zeit, eigene Erfahrungen zu sammeln. Jedes noch so kleine Pilotprojekt liefert wertvolle Erkenntnisse darüber, wie geeignete Einsatzfelder und Anwendungen aussehen können und welche Wege hierfür zu gehen sind. Wenn die Konkurrenz erst einmal vorgelegt hat, wird es schwer, plötzlich loszulegen und dann noch mit möglichen Kinderkrankheiten zu kämpfen.
Das Beispiel der e.GO Mobile AG hat noch einen weiteren wichtigen Aspekt offengelegt: Die Zeit der Einzelkämpfer ist vorbei – das Ökosystem entscheidet. Warum sollte ich die Komplexität einer solchen Technologievielfalt, mit der wir es heutzutage bei Projekten dieser Art zu tun haben, alleine beherrschen müssen? Die Erfahrung hat gezeigt, dass erst ein Mix verschiedener Partner und Kernkompetenzen zum Erfolg führt, Alleingänge dagegen oft im Mittelmaß stecken bleiben. Neben der Sammlung eigener Erfahrungen ist es somit ebenfalls wichtig, sich Gedanken zu machen, welche Partner bzw. welches Ökosystem für den eigenen Weg infrage kommen.
Mit unserer Projekterfahrung und zahlreichen starken Partnern in unserem eigenen Ökosystem unterstützen wir hierbei gerne. Sprechen Sie uns einfach an!