Das wichtigste Event zum Thema digitale Transformation, die LiveWorx, fand dieses Jahr in digitalem Format statt. Es wurden vier Überlebenskünste vorgestellt, mit denen Industrieunternehmen in der „neuen Normalität“ erfolgreich bleiben. Außerdem wurden weitere Denkanstöße und industrielle Innovationen präsentiert.
Während der Show hielt PTC President und CEO Jim Heppelmann eine energiegeladene virtuelle Keynote-Ansprache mit dem Titel „Disrupted: Lessons Learned and the Path Forward“ (in etwa: Nach der Krise – Gewonnene Erkenntnisse und der Weg nach vorn). Hier ist eine Zusammenfassung der vier Fähigkeiten, die Industrieunternehmen in der neuen Normalität benötigen:
Die IT-Infrastruktur in vielen Organisationen war nicht darauf vorbereitet, dass unzählige Arbeitnehmer während der COVID-19-Krise ins Home Office wechselten. 75 % der Organisationen stellten sofort auf Richtlinien für das Home Office um, 41 % meldeten infolgedessen eine übermäßige Belastung der internen IT-Ressourcen.
Während IT-Abteilungen die Krise mit kurzfristigen Patches zu bewältigen versuchen, wird für eine flexible und mobile Belegschaft eine langfristige Strategie benötigt. Die erzwungene neue Arbeitsweise hat den Wandel eingeleitet: 74 % der CFOs beabsichtigen, mindestens 5 % ihrer bisher lokalen Mitarbeiter im Anschluss an COVID-19 permanent an mobile Arbeitsplätze zu verlagern.
Zahlreiche Cloud- und SaaS-basierte Tools ermöglichen in bestimmten Bereichen eine nahtlose Umstellung auf das Arbeiten von zu Hause aus. Beispielsweise können dank SaaS-Tools, wie sie für Unternehmens-Software wie CRM, HCM und ERP bereits weit verbreitet sind, Mitarbeiter in entsprechenden Bereichen ohne große Schwierigkeiten von zu Hause aus arbeiten.
Allerdings werden Produktentwicklungs-Tools auch heute noch vorwiegend lokal eingesetzt. Das dürfte sich aber schnell ändern. IDC prognostiziert, dass bis 2022 ganze 70 % der Hersteller Cloud-basierte Innovationsplattformen und Märkte für die branchen- und kundenübergreifende gemeinsame Entwicklung nutzen werden.
In seiner Präsentation stellte Heppelmann drei Unternehmen vor, die bereits die Vorteile von Cloud- und SaaS-Software nutzen, um den Produktentwicklungsprozess mit dezentralen und geografisch verteilten Entwicklungs-Teams zu ermöglichen.
Lieferketten sind bemerkenswert komplex. Das stellt die Produktion gerade in Krisenzeiten vor große Herausforderungen und erfordert ein hohes Maß an Flexibilität. Internationale Produzenten wie Automobilhersteller haben im Durchschnitt 500 Tier-1-Zulieferer. Diese haben wiederum jeweils 250 Tier-2-Zulieferer. Das resultierende Lieferkettennetzwerk kann also sage und schreibe 1,25 Millionen Zulieferer umfassen.
In einer modernen Lieferkette muss in jedem Unternehmen dieselbe Version der gleichen Software-Tools installiert und bereitgestellt werden, damit der Datenaustausch möglich ist. Das bedeutet, dass Upgrades innerhalb der gesamten Lieferkette zeitgleich durchgeführt werden müssen, um die Interoperabilität zu erhalten.
Der rasche Austausch von Konstruktionsinformationen für die Entwicklung, Aktualisierung und Herstellung von Produkten leidet unter fehlender Interoperabilität und verdeutlicht, wie wichtig ein nahtloser digitaler Thread ist, um die Kontinuität von Informationen innerhalb der Lieferkette aufrechtzuerhalten.
Heppelmann nannte drei weitere Beispiele für flexible und innovative Lieferketten durch digitale Transformation.
Etwa 75 % der Mitarbeiter weltweit gelten als so genannte „Front-Line Worker“ oder „Deskless“-Mitarbeiter, also Mitarbeiter ohne eigenen Computer-gestützten Arbeitsplatz. Das entspricht 2,7 Milliarden Menschen. Die Vorteile der Digitalisierung kommen ihnen üblicherweise nicht zugute. Videokonferenz-Software wie Microsoft Teams und Zoom ermöglichen schreibtischgebundenen Mitarbeitern an ihren Desktop-Rechnern die Zusammenarbeit, doch Front-Line Worker sind in der realen Welt tätig. Mit Augmented Reality (AR) ändert sich dies jedoch.
Mit AR-gestützter Remote Assistance können Front-Line Worker sich mit Remote-Experten verbinden, die ihnen quasi „über die Schulter“ Unterstützung bei der Zusammenarbeit in Echtzeit und der schnellen Lösung komplexer Probleme bieten. Mit AR lässt sich Content wie Schulungshandbücher oder Arbeitsanweisungen auf Objekten und Orten in der realen Welt veröffentlichen, sodass Mitarbeiter die Informationen im Kontext ihrer Arbeitsumgebung und der vorliegenden Aufgabe aufnehmen können. Mithilfe von AR können Informationen wie z. B. Service-Verfahren erfasst und auf der realen Welt abgebildet werden.
Industrieunternehmen haben begonnen, ihre Front-Line Worker mit digitalen Fähigkeiten auszustatten – bevorzugt mit AR:
Die Kosten für Ausfallzeiten gehen in die Tausende pro Stunde. Durch COVID-19 ist der Zugang zu vielen Industrie-Assets in Fabriken oder Krankenhäusern nur noch eingeschränkt möglich. 81 % der Firmen haben Reiseverbote ausgesprochen, 46 % Kontaktverbote am Arbeitsplatz verhängt.
Das Remote Monitoring von Produkten und Fabriken ermöglicht die Aufrechterhaltung des Betriebs trotz Reisebeschränkungen, Quarantäne, Personalmangel und Mitarbeitern im Home Office. Remote-Funktionen waren während der Krise unverzichtbar, um die Betriebszeit in kritischen Umgebungen zu verbessern. Sie ermöglichen aber auch enorme Einsparungen bei Personal- und Asset-Kosten infolge von Fahrtkosten und Ausfallzeiten. Und sie verändern Kundenbeziehungen nachhaltig.
Durch die Implementierung der vier genannten Fähigkeiten können Industrieunternehmen diese schwierigen Zeiten voller Unwägbarkeiten erfolgreich bewältigen.
Während seiner Keynote-Ansprache stellte Heppelmann ein Dutzend Beispiele für führende Industrieunternehmen vor, die mit digitalen Technologien wie SaaS die Grundlage für Flexibilität und Mobilität ihrer Wissensarbeiter geschaffen haben und Flexibilität in Design, Lieferkette und Fertigung ermöglichen. Wir haben gesehen, wie mithilfe von AR Front-Line Worker auf neue Weise zusammenarbeiten und so die Produktivität steigern können. Und wir haben erfahren, wie das IoT in Verbindung mit KI zweistellige Verbesserungen in Betrieben und Produktflotten ermöglicht, was Geld spart, aber auch Leben rettet.
Nun ist es an der Zeit für eine Bestandsaufnahme: Was hat während der COVID-19-Pandemie funktioniert und was nicht? Wie können diese vier Fähigkeiten künftig zum Vorteil des Unternehmens genutzt werden, abgesehen von der reinen Notwendigkeit?