MBD für bessere Produktqualität [Interview]
Verfasst von: Madhavi Ramesh

Als Ingenieur oder Konstrukteur haben Sie höchstwahrscheinlich bereits von der modellbasierten Definition (MBD) gehört, dem Hinzufügen von nicht-geometrischen Entwicklungsinformationen zu einem 3D-Modell. (Üblicherweise werden diese Daten in einer 2D-Zeichnung erfasst.)

Intuitiv ist es sinnvoll, alles an einem Ort zu verwalten. Aber sind die Vorteile den Aufwand wert, die Entwicklungsmethoden, die ein Unternehmen seit Jahren nutzt, grundlegend zu verändern? Vielleicht sogar seit mehreren Jahrzehnten?

Curtis Brown, leitender Ingenieur in einem multinationalen Unternehmen, ist davon überzeugt. Er hilft seinem Team, vertrauenswürdige Modelle zu erstellen, die überall im Unternehmen bedenkenlos wiederverwendet werden können.

Seiner Meinung nach entscheiden sich Unternehmen u. a. deshalb für die Umstellung, um bessere Produkte entwickeln zu können. „Qualitätsverbesserungen können durch die Verwendung von intelligenten, computerlesbaren MBD-Daten und -Formaten und die Automatisierung der zugehörigen Prozesse erzielt werden.“

Wie genau? Es hat etwas mit semantischen Toleranzen zu tun... Aber immer der Reihe nach. Lesen Sie Madhavi Rameshs Gespräch über Qualität, MBD und die Zukunft der Produktentwicklung mit einem Mann, der auf dem besten Weg ist, ein modellbasiertes Unternehmen aufzubauen:

 

Madhavi: Wie definieren Sie die modellbasierte Definition (MBD)?  

Brown:     Ich definiere MBD als digitale Informationen zur vollständigen Beschreibung der Geometrie (z. B. ein 3D-Modell) und alle zugehörigen Datenelemente zur Definition des Produkts. Hierzu gehören:

  • Geometrie (Form und Zusatzinformationen)
  • Zugehörige PMI
  • Zugehörige Metadaten (z. B. Material, Klassifikation)
  •  Darstellungszustände (z. B. Kombinationszustände)
  • Zugehörige Designatoren für Produktmerkmale (Informationen zu Produkt- und Fertigungsinspektionen)

Einfach ausgedrückt ist MBD ein mit Anmerkungen versehenes 3D-Modell mit allen zugehörigen Datenelementen, die das Produkt auf eine Weise vollständig definieren, welche die Kommunikation und effektive Verwendung durch alle nachgeschalteten Kunden ohne 2D-Zeichnungen ermöglicht.

Madhavi: Wie definieren Sie das modellbasierte Unternehmen (Model-Based Enterprise, MBE)?

Brown:    MBE ist eine Organisation, die MBD erfolgreich einsetzt. Anders ausgedrückt: MBE ist eine vollständig integrierte, gemeinsame Umgebung, die auf 3D-MBD-Daten basiert, welche validiert, autorisiert und im gesamten Unternehmen freigegeben wurden und die Umsetzung von Produkten vom Konzept bis zur Erhaltung ermöglichen.

Madhavi: Welche Gründe haben Unternehmen für die Implementierung von MBD?

Brown:     Man hört ständig, durch MBD werde alles schneller, besser und billiger. Die Produktrealisierung lässt sich mit weniger Ressourcen beschleunigen. Ein weiterer bedeutender Aspekt ist die bessere Produktqualität. Qualitätsverbesserungen können durch die Verwendung von intelligenten, computerlesbaren MBD-Daten und -Formaten und die Automatisierung der zugehörigen Prozesse erzielt werden. Damit sind wir wieder beim Thema der assoziativen und semantischen Toleranzen.

Assoziative Toleranzen sind die grafische Darstellung von Anmerkungen, die mit Geometrie/Flächen oder beliebigen anderen Features im CAD-Modell verknüpft sind.

 

Einrichten von Toleranzwerten

Semantische Toleranzen beziehen sich eher auf die Bedeutung und das Verhalten dieser grafisch dargestellten Anmerkungen. Manche Leute glauben, dass wir bereits mit semantischen Toleranzen arbeiten, aber das ist nicht der Fall. Momentan verwenden wir bestenfalls assoziative Toleranzen. Das bedeutet, dass Anmerkungen mit einer Fläche verknüpft werden. Ich bin aber zuversichtlich, dass der nächste große Schritt bei der Wiederverwendung von MBD-Daten die Verbesserung der Produktqualität durch semantische Toleranzen sein wird.

Madhavi: Wer benötigt PMI (im erweiterten Unternehmen)? Und wie werden sie verwendet?

Brown: PMI sind nicht-geometrische Attribute wie Bemaßungen, Toleranzen, Bezüge usw., die für die Herstellung eines Produkts benötigt werden. In einer Organisation, die mit Zeichnungen arbeitet, werden diese Informationen in 2D-Zeichnungen erfasst. In einem MBE müssen PMI hingegen mit dem 3D-CAD-Modell verknüpft werden. Darüber hinaus sollte das 3D-CAD-Modell auch Designatoren für Produktmerkmale enthalten, so genannte PMII (Product Manufacturing Inspection Information), die im Prinzip ebenfalls eine Art von PMI sind.

PMII sind für Qualitäts- und Kontrollprozesse wichtig. Derzeit werden PMII bei den Kontrollen erzeugt. Im Rahmen der Kontrollplanung werden alle wichtigen Merkmale identifiziert und in Form von Ballons auf der Zeichnung festgehalten. Stellen Sie sich vor, die PMII könnten schon früh in der Planung oder in der MBD-Phase definiert werden. Diese Informationen würden die Grundlage für nachgeschaltete Prozesse bilden und die Bereitstellung von systematischem Qualitätsfeedback zu einem früheren Zeitpunkt im Produktentwicklungsprozess ermöglichen.

 

Mit Anmerkungen versehenes 3D-Modell

Die Qualität steht und fällt mit den PMI. Diese müssen daher so intelligent wie möglich sein. MBD-Daten, die Produktmerkmale und Designationen enthalten, tragen dazu bei, das Produkt eindeutig zu identifizieren und zu verifizieren.

Madhavi: Welche Vorteile haben semantische Toleranzen?

Brown: Die PMI sollen so intelligent wie möglich sein, damit nachgeschaltete Organisationen die MBD-Daten vollständig nutzen können.

Angenommen, bestimmte Bemaßungen sind in einer statischen 2D-Zeichnung definiert. In diesem Fall können sie nicht direkt an das CMM-Programm (Coordinate-Measuring Machine) oder die Kontrollsoftware übermittelt werden. Das bedeutet, dass Informationen über wichtige Merkmale, z. B. abweichende Toleranzen, Metrologie-Features usw., von nachgeschalteten Benutzern neu erstellt werden müssen. Hierbei werden etwa 80 % aller Fehler verursacht, die auf ungenaue oder fehlerhafte Informationen zurückzuführen sind.

In der Zukunft werden sämtliche Toleranzen und Anmerkungen für ein Feature mit den MBD-Daten verknüpft und automatisch an die Produktionsumgebung übertragen. Mithilfe von semantischen Toleranzen könnte der Verifizierungsprozess automatisiert und sichergestellt werden, dass die Toleranzen vollständig und eindeutig sind. Nachgeschaltete Benutzer würden nicht erst spät im Prozess Probleme entdecken, die zu Verzögerungen in der Produktentwicklung führen.

Madhavi: Gibt es Frameworks und Standards für semantische Toleranzen?

Brown: Ein Standard ist das STEP AP242-Format, das schon eine Weile existiert. Außerdem gibt es den ANSI-Standard QIF (Quality Information Framework). Ein Aspekt von QIF deckt semantische Eigenschaften von PMI und die Verknüpfung mit relevanten Features im 3D-Modell ab. QIF umfasst eine Reihe von XML-Schemas mit einer Bibliothek mit wiederverwendbaren Komponenten und verschiedenen Anwendungsschemas, u. a. für Qualitätsmesspläne und Qualitätsmessergebnisse.

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Tags: Produkte für Einzelhandel und Konsumgüter CAD Vernetzte Geräte
Der Autor Madhavi Ramesh